Das schreibt die Presse

13. August 2001
Wo die Indianer bairisch reden
Michael Herbigs Winnetou-Parodie ‚Manitu‘ schlägt alle Kino-Rekorde
 
VON BEATRICE OSSBERGER 

Jeden Abend die gleiche Szene in zwölf Münchner Kinos: Zwei Männer stehen gefesselt am Marterpfahl. Sagt der eine: ‚Du kannst mich mal am A.... Fragt der andere: ja, wie denn?!?‘ Die Antwort geht in Lachsalven unter. An der Isar und anderswo. Die Winnetou-Persiflage ‚Der Schuh des Manitu‘ ist der Kino-Brüller des Sommers.
Fast vier Millionen Menschen haben die Balla-Balla-Parodie ‚aus dem Süden des Wilden Westens, wo die Indianer noch bairisch sprechen‘ seit dem Start am 17. Juli gesehen. Gedreht mit einem Budget von nur neun Millionen Mark lässt der Münchner Michael Herbig - er ist zugleich Produzent, Regisseur, Autor und spielt den tapferen Apachen-Häuptling Abahachi sowie dessen tuntigen, rosarot gekleideten Zwillingsbruder Winnetouch - die Umsätze an der Kinokasse knallen wie Winnetous Silberbüchse.


Vom Blödler zum Macher: Michael 'Bully' Herbig
Foto: A. Schmidhuber
Ein paar Tage lang musste Manitu gegen die Dinos aus dem neuen ‚Jurassic Park‘ zurückstecken, doch jetzt liegt Herbigs Film in den Tagesergebnissen wieder vorn. ‚Ein handgemachter Film hat die computergesteuerten Special- Effects besiegt‘, so die SZ.
Top Kino aus deutschen Landen. Die Story ist Nebensache. Was zählt, sind Gaga. Da geraten Reiter in Radarfallen, müssen Indianer eine Hypothek abbezahlen, wird statt eines Kriegsbeils ein wackeliger Klappstuhl ausgegraben. Da betreibt Winnetouch auf seiner Puder-Rosa-Ranch eine Beautyfarm mit Cocktailbar, treibt Sky Du Mont als Gangster seine Bande so zum Aufbruch: ,Wer will, kann sich noch ein Eis holen, dann reiten wir los.‘
Späte Rache von Manitu. In Österreich hat der ‚Schuh‘ sogar den Hollywood-Knaller ‚Titanic‘ versenkt.
,Als ich das gehört habe, war es mir fast ein bisschen peinlich‘, sagt Michael Herbig. Damit habe ich nicht gerechnet.‘
Auch damit nicht, dass sein Klamauk, der erfolgreichste deutsche Kino-Start aller Zeiten werden würde. Ein Kindheitstrauma war es, genauer gesagt, die Sterbeszene in ,Winnetou 3‘, die den 33-Jährigen nicht mehr losgelassen hat. Rotz und Wasser hat er damals geheult.
,Winnetou war mein Idol, ich konnte es nie fassen, dass er wirklich sterben muss‘, sagt ‚Bully‘, während er versucht, beim Frühstück im Schwabinger ‚Cafe Schmock‘ sein Rührei nicht auf seine rote Hose zu kleckern.
Bisher war Michael Herbig nur einer Insider-Gemeinde aus der ProSieben-Comedy ,bullyparade‘ bekannt (‚Bully‘ wird er seit seiner Kindheit genannt). Seit vier Jahren tobt er sich hier aus, macht Witze über Sissi und Kaiser Franz und verpasste dem Raumschiff Enterprise eine schwule Besatzung, die sich regelmäßig fast in die rosa Unterhose pinkelt, wenn die Klingonen mal wieder gemeine Faxe schicken.
1999 gab er sein Regie-Debüt mit ‚Erkan und Stefan‘. Damit verdiente sich ‚der größte Winnetou-Fan der Welt' das Geld für ‚Der Schuh des Manitu‘.
,Mein Ziel war es‘, sagt er, ‚auf Plus-Minus-Null rauszukommen. Ich wollte nur nicht draufzahlen.‘ Bei den Dreharbeiten in Spanien ging zunächst alles drunter und drüber. ‚Es hat in Strömen geregnet, obwohl es dort sonst nie regnet. Wir hatten Sandstürme, Beinbrüche, Bandscheiben-Vorfälle, das halbe Team lag mit einem Virus flach. Da gab es schon Momente, in denen ich mir Sorgen machte, ob wir den Film jemals zu Ende kriegen würden.‘
Diese Sorge ist er los und draufzahlen muss er auch nicht. Erklären kann er sich den Mega-Erfolg trotzdem nicht. ‚Wir waren wohl mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit am richtigen Ort.‘
Ein freches Bully-Grinsen. ,Es kann auch sein, dass wir so Erfolg haben, weil für jeden was in dem Film dabei ist. Für die Jungs die Indianer und die Gangster, für die Schwulen den schwulen Zwillingsbruder, für die Mädels die Pferde. Aber mal ehrlich, ich-weiss es echt nicht. Ich hatte auch keine Zeit zum Nachdenken. Dazu waren die letzten Wochen zu heftig. Dieser Rummel - ich bin ja nicht mal mehr zum Arbeiten gekommen.‘
Was bei dem Münchner Workaholic was heißen will. Seit ihn die Filmhochschule ablehnte, was ihn immer noch ein bisschen wurmt, und er deshalb 1992 ins Radiogeschäft einstieg, ist arbeiten meine Liebligungsbeschäftigung' (siehe Kasten).
Vor dem ‚Manitu‘-Film synchronisierte er die Hauptfigur in dem Disney-Film ‚Ein Königreich für ein Lama’und arbeitete an Sketchen für die ‚bullyparade‘. ‚Ich bin ein selbstständiger Autodidakt‘ sagt er. Ein Star will er nicht sein. ‚Das ist doch kein Beruf.‘ Wenn ihm die Zuschauer im ProSieben-Studio zujubeln, ist ihm das ‚ein bisschen unheimlich‘.
Nach jeder abgedrehten ‚Bully‘-Staffel überlegt er, eine Pause einzulegen, um den kindlichen Spaß‘ nicht zuverlieren. Den Spaß am Blödeln teilt er mit 15 Mitarbeitern in seiner Firma herbx. Für die Finanzen ist seine Mutter Marianne zuständig (,dafürhat der Michael keine Zeit‘).
Hat er vor lauter Bully und Balla Balla überhaupt Zeit für die Liebe? Wegen seiner Vorliebe für Tuntenrollen – ‚ich finde Schwule lustig und liebe es, sie zu spielen‘ - wird er selbst oft für schwul gehalten. Ist er aber nicht. Sondern in Daniela verliebt, seit einem halben Jahr. ‚lch habe das Thema Beziehungen lange vernachlässigt‘, sagt er. ,Und ausgerechnet zu einer Zeit, wo ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, habe ich sie dann kennen gelernt.‘
Im Januar, wenn die ‚bullyparade‘ abgedreht ist, will er mit ihr Urlaub machen. ‚Ich muss einmal Zeit haben, über alles nachzudenken. Und mir neue Filme auszudenken.‘
Denkt er an eine Fortsetzung vom ‚Schuh des Manitu‘? ‚Nein, Fortsetzungen funktionieren eigentlich nie. Ich möchte lieber etwas Neues machen. Ein Musical zum Beispiel. Aber vielleicht mache ich auch etwas ganz anderes. Also bitte, an alle potenziellen Tänzer und Sänger: Bitte noch nicht bei mir melden.‘
Melden sollte sich aber ein anderer: Pierre Brice, ‚der einzige Winnetou-Darsteller‘ und damit das Idol von Michael Herbig.
‚Ich würde mich unglaublich über seinen Anruf freuen', sagt er. ‚Denn eines ist doch klar. Ich wollte ihn und alle Winnetou-Fans mit der Parodie auf keinen Fall beleidigen. Im Gegenteil: Dieser Film ist die größte Liebeserklärung der Welt.


Bully schnelle Karriere-Parade
Michael ‚Bully‘ Herbig weiss schön früh, was er werden will: Filmemacher. Mit 13 kennt er alle Hitchcock- und Spielberg-Filme auswendig. Drei Jahre später verlässt er die Schule, um eine Fotografen-Ausbildung zu rnachen. Die Münchner Filmhochschule, bei der er sich bewirbt, lehnt ihn ab. ,Meine Fotos waren denen zu schräg.‘
Mit 21 Jahren verkauft er Anrufbeantworter-Sprüche und gibt sein erstes Radio-Interview. Die Macher von Radio Gong engagieren ihn als Autor und Co-Moderator für die Sendung ‚Langemann und die Morgencrew‘. Zwischendurch und später produziert er mit seinen Freunden Christian Tramitz und Rick Kavanian skurrile Hörspiele, gründet eine Produktionsfirma, bis ihm ProSieben eine eigene Show anbietet.
Im Mai 1997 marschiert die ‚bullyparade‘ auf den Bildschirm. 1999 wird die Sketch-Sendung für die Goldene Rose von Montreux nominiert. Derzeit arbeitet er an der sechsten Staffel, die nächstes Jahr gesendet wird.

back to presse