Das schreibt die Presse

16. Juli 2001
Abahachi muss nicht sterben
Michael Herbigs Western-Parodie ‚Der Schuh des Manitu’ erhält vom Premieren-Publikum im Maxx viel Beifall
Von Ralph Müller-Gesser

Ein Indianer kennt keinen Schmerz, sagt man Kindern zum Trost. Doch als Winnetou starb, war Michael „Bully" Herbig noch kein Indianer. Ein Kindheitstrauma sei dies gewesen, sagt er vor der Uraufführung seiner Westem-Parodie „Der Schuh des Manitu" in die Mikrofone, die ihm im MaxX-Kino bedrohlich wie Tomahawks entgegen gestreckt werden. Wir schließen die Augen, erinnern uns an die erfüllten Sonntag-Nachmittage mit Karl-May-Filmen und sehen ihn vor uns, den kleinen Michael. Geschockt starrt er auf den Fernseher. Eine Kugel steckt in Winnetous Brust. „Winnetou wird sterben!", haucht der Apachenhäuptling noch und lässt sich das Ave-Maria vorsingen. Inzwischen ergießt sich ein Mississippi von Tränen über die Wangen des bayerischen Bleichgesichts. Es muss schlimm gewesen sein für den kleinen Michael. Aber er hat es überstanden.

Im Bann von Manitu: Regisseur und Schauspieler Michael 'Bully' Herbig und seine Kollegin Marie Bäumer im MaxX-Kino.
Foto: Stephan Rumpf
Zum Glück gibt es Menschen, die sich solch traumatisierter Kinder annehmen. Sie haben Michael Herbig viel Geld gegeben und ihn zur Therapie zwei Monate nach Spanien geschickt. Dort drehte er eine Mischung aus Indiana Jones (Achterbahnfahrt im Schatztempel), Bonanza (die Ponderosa wird zur Puder-Rosa-Schönheits-Ranch), Spiel mir das Lied vom Tod (Mundharmonikaklänge) und Münchner Geschichten. Der Apachenhäuptling Abahachi (Michael Herbig) und sein weißer Blutsbruder Ranger (Christian Tramitz) suchen einen Schatz, mit dem sie ein Darlehen an den Schoschonen-Stamm zurückzahlen wollen. Dabei helfen ihnen Uschi (Marie Bäumer, schwer belagert auf dem roten Teppich), Dimitri (Rick Kavanian) sowie Abahachis schwuler Zwilltngsbruder Winnetouch (ebenfalls Michael Herbig). Sky Dumont spielt den fiesen Gangster Santa Maria.

Mit der Eleganz eines Gauners tritt Sky Dumont nun auch vor die Kameras. Einen Arm um seine wahnsinnig blonde Frau geschlungen, hebt er an zu einem kurzen Exkurs: „Unsere Geschichte ist sehr doppelbödig geschrieben." Ein guter Komödiant ist er, wirklich gut. Bleibt ganz ernst, als er das sagt. Und die Leute finden ihn ja auch wirklich klasse - zumindest diejenigen, die während der Premierenvorstellung johlen, als Dumont in einer spannenden Szene plötzlich zu tanzen und zu singen anfängt. Ein Biologe würde wohl Übersprungshandlung dazu sagen. Doppelbödig ist da wohl nur die Tanzunterlage.

Als Regisseur und Schauspieler Michael Herbig nach der Vorführung die Bühne besteigt, trifft ihn der Applaus wie ein Bündel von Pfeilen und zwingt ihn in die Knie. Hat er damit vielleicht nicht gerechnet? „Ist doch nur ein Film", sagt er gerührt. „Ich freue mich, dass Sie ihn alle verstanden haben." „Habe ich nicht", brüllt jemand im Saal. Ein Witzbold? Dann bekommt Geburtstagskind Christian Tramitz noch seinen Marterpfahl in Tortenform. Und Rick Kavanian übersetzt Herbigs kurze Ansprache simultan ins Schoschonische: „Bla, bla, bla, bla."

Der hat den Wink verstanden, bedankt sich artig und alles schleicht weg zur Premierenfeier im Wilden Norden des Englischen Gartens. Bei dubioser Country-Musik, Feuerwasser, Stew und goldfarbenen Steinnuggets tauchen plötzlich immer mehr Cowboyhüte und rote Federn auf. Nicht hinter Hamburg, sondern hinterm Seehaus beginnt heute der Wilde Westen. Noch ein kräftiger Zug an der kostenlosen American-Blend-Zigarette. Vergangenheitsbewältigung kann so cool sein.

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