Das schreibt die Presse

  11. August 2001
Der Schuh der Weisen
Aus Liebe zum Kino: Michael Herbigs Erfolg mit „Manitu“
 
VON SUSAN VAHABZADEH 

Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Vielleicht hat Manitu eines Morgens in diesem Sommer auf sein ehemaliges Reich hinab geblickt, und es missfiel ihm, was aus der kalifornischen Wüste geworden war – also beschloss er, dem weißen Mann das Handwerk zu legen. Die andere Möglichkeit wäre, dass Michael Herbig, dem deutschen Fernsehpublikum unter dem etwas albernen Beinamen Bully bekannt, teuflisch viel davon versteht, wie man einen Erfolgsfilm dreht. 

Herbigs Komödie „Der Schuh des Manitu“ ist bislang der erfolgreichste deutsche Film des Jahres – und zwar mit einem solch gewaltigen Abstand, dass er das wohl auch bleiben wird. Bei 3,8 Millionen Besuchern lag die Winnetou- Persiflage am Donnerstagabend, drei Wochen nach dem Kinostart; und das ist mehr, als der erste Karl May, „Der Schatz im Silbersee“, im Jahr 1963 hatte. In der vergangenen Woche musste Manitu gegen die Dinos antreten und hat sechs Tage lang zurückstecken müssen – natürlich hat „Jurassic Park“ ihn vom ersten Platz verdrängt. Seit Mittwoch aber liegt er in den Tagesergebnissen wieder vorn, der eben gestartete „Dr. Dolittle 2“ hatte da gar keine Chance. Man kann es auch so sehen: Hier hat ein handgemachter Film die computergesteuerten Special-Effects besiegt. Manitu übt späte Rache. 

Das Jahr 2000 war mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent kein wirklich guter Jahrgang für den deutschen Film, und für 2001 hat es bislang noch schlechter ausgesehen – ein einziger Film wird jetzt aber das Ergebnis maßgeblich beeinflussen – die Prognosen liegen inzwischen, Herbig sei Dank, bei etwa 15 Prozent. Dass ausgerechnet „Der Schuh des Manitu“ zur Ehrenrettung des deutschen Kinos antritt, ist für viele Menschen aus der wunderbaren Welt des Films natürlich bitter. Der Spiegel befindet naserümpfend, Herbigs Machwerk habe einen „ähnlichen Humorquotienten“ wie „Werner“, bei der FAZ weiß man noch besser, wie man solchem Unfug zu begegnen hat: Nicht mal ignorieren. In der Humorkritik der Titanic kam „Manitu“, nebenbei bemerkt, wesentlich besser weg. 

Überraschend ist der Erfolg nicht – keine noch so teure Werbekampagne kann mit der Zugkraft einer durchs Fernsehen eingeführten Figur mithalten. Und die Kassenmagneten waren und sind eben Actionfilme und Komödien – den erfolgreichsten deutschen Film hat nicht der große Meister Wenders gedreht, sondern Meister Waalkes. Sollte die Liebe zum Kino dessen Herz bewegen, hat er das bislang geschickt kaschiert – an die 8,8 Millionen Besucher des ersten „Otto“-Films kommt trotzdem keiner ran. Darüber muss man nicht traurig sein: Das Kino ist eine Industrie, in der das eine das andere bedingt. Man sollte meinen, es käme spätestens seit Spielberg keiner mehr auf die Idee, dem kommerziell erfolgreichen Kino von Haus aus mit Skepsis zu begegnen. Das ist aber nicht so, ganz besonders dann nicht, wenn es heimischer Produktion entstammt. Störend ist die Indifferenz, mit der manche als Blockbuster konzipierten Filme gemacht sind, egal ob es sich um ein sterbenslangweiliges Jerry-Bruckheimer-Produkt wie „Pearl Harbor“ handelt oder um die hundertste deutsche Beziehungskomödie. Ansonsten ist es so, wie Dustin Hoffman einmal gesagt hat: Der Film ist ein Baby. Er weiß nicht, ob er reiche Eltern hat. 

Just diese Indifferenz kann man Herbig nicht unterstellen: Sein Film steckt voller Einfälle und Energie. „Der Schuh des Manitu“ unterscheidet sich von den vielen Vorgängern, die er in dieser Hinsicht gehabt hat, vor allem durch eines: Da hat nicht ein Fernsehstar einen Film für die Leinwand gedreht, weil sein Finanzberater befunden hat, auf diesem Markt sei noch was zu machen. Herbig, ein verhinderter Filmhochschüler, kennt sich dem Vernehmen nach bei Spielberg und Hitchcock gut aus – und bei den Karl-May-Filmen ganz sicher. „Der Schuh des Manitu“, in der Tradition von „Airplane“ und „Nackte Kanone“ gedreht, ist in der Tat Unfug, aber sicher nicht unintelligent. „Naiv“ heißt es im Zusammenhang mit Herbig dauernd – sein unverkrampfter Umgang mit Schwulen hat aber beispielsweise mehr mit Harald Schmidt zu tun als mit Stammtischhumor. 

Um es mal ketzerisch zu formulieren: Im Grunde erfüllt „Manitu“ die Forderung an den deutschen Film, er möge mit dem Leben seiner Zuschauer irgendwas zu tun haben. Deutsche Komödien scheinen oft einem seltsamen Paralleluniversum zu entstammen: Menschen, die einen an niemanden erinnern, bewohnen designermöblierte Lofts, die es nicht gibt, und sprechen Texte, die auf freier Wildbahn nicht vorkommen. Das Münchnerisch, das die Indianer bei Michael Herbig sprechen, ist echt. Und die Erinnerung an ungezählte verregnete Sonntagnachmittage, an denen das Fernsehen die Republik mit Karl-May-Filmen am Leben hielt, sind den meisten Menschen eben näher als die absurde Leiche im Keller in „Kalt ist der Abendhauch“ – was nur die wenigen Menschen wissen, die diesen Film gesehen haben. Und vor allem erweist Herbigs Film dem Film an sich die Ehre: Man muss das Kino schon wirklich lieben, um es auf die Schippe nehmen zu können. 

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