vom 30. Juli 2001
Hugh und Huch
Mit seiner Westernparodie "Der Schuh des Manitu" gelang dem TV-Blödler Michael Herbig der bisher erfolgreichste Start eines deutschen Films.
Das Wüste lebt. Und das Kino bebt. Kaum hatte der Münchner Regisseur Michael Herbig, Spezialist für knüppelkomische Unterhaltung, seine Westernparodie "Der Schuh des Manitu" am vorvergangenen Wochenende gestartet, da gab der Verleih Constantin schon erregt Rauchzeichen: 203 000 Besucher allein am ersten Tag. Der Film sei "der erfolgreichste Donnerstag-Start eines deutschen Films aller Zeiten". Auf Platz zwei folgt (mit durchaus ähnlichem Humorquotienten) die Brüllsäufer-Burleske "Werner - Das muss kesseln!" von 1996. 
Bescheidene neun Millionen Mark hat Herbigs Film gekostet, und spätestens im Lauf dieser Woche wird er sich amortisiert haben. Denn bis zum vergangenen Wochenende hatten sich schon mehr als 1,5 Millionen Deutsche aufgemacht, um teilzuhaben an diesem unerbittlichen Gag-Sperrfeuer in Wort und Bild. Es Feuerwerk zu nennen wäre fahrlässig. 
Gereift ist das Werk aus den Winnetou-Sketchen, mit denen Herbig sein unerschrockenes Stammpublikum in seiner TV-Comedy "Bullyparade" auf ProSieben gelegentlich beglückt. Wie im Fernsehen geht es auch im Film humoristisch streng demokratisch zu: Keine Pointe überragt die andere, kein Witz klaut dem anderen die Show. 
"Ein Apache in der Patsche" ist so ein anspruchsvolles Wortspiel auf typischer "Manitu"-Ebene. Und wenn der Stamm der Schoschonen ("Schau, schau, die Schoschonen") feststellt, dass das vergrabene und nun dringend benötigte Kriegsbeil leider ein Billigprodukt war und man damals, als die letzte Fehde beigelegt wurde, stattdessen einen alten Klappstuhl eingekuhlt hat, steigen zur Illustration prompt viele Rauchwölkchen auf, die am blitzeblauen Filmhimmel ein entsprechendes Sitzmöbel formen. Diesen Humor muss man mögen. 
"Keiner wird gezwungen, den Film zu sehen", warnt Herbig, 33, vorsorglich. Man möge doch sein Werk "einfach nehmen, wie es gemeint ist", sagt der Co-Autor und Produzent, als einen Film, "der Spaß machen soll". 
Erzählt wird die Geschichte des Indianerhäuptlings Abahachi (Michael Herbig) und seines weißhäutigen Kumpels Ranger (Christian Tramitz). Die beiden wollen eine Art Vereinslokal für Rothäute in der Prärie aufmachen. Der schleimige Bösewicht Santa Maria (Bundesbeau Sky Dumont) dreht ihnen eine baufällige Ruine an, die mit einem Kredit der Schoschonen bezahlt werden soll. 
Doch als Falscher Hase, der Sohn des Häuptlings Listiger Lurch, den beiden Neugastronomen das Gold überbringt, wird er von Santa Marias Bande hinterrücks erschossen. Die Bösewichte schieben den Mord Abahachi und Ranger in die Mokassins, und die haben nun die Schoschonen an der Hacke. 
Rettung soll die Hebung eines geheimnisvollen Schatzes bringen, zu dem eine verstümmelte Karte führt. Doch drei Kartenteile fehlen. Das erste hütet Winnetouch, Abahachis warmer Zwillingsbruder (Michael Herbig selbst schwuchtelt diesen Part zum Wattebäuschchenerweichen auf die Leinwand). Der empfindsame Indianer, der besser Winnetunt getauft worden wäre, betreibt auf seiner Puder-Rosa-Ranch einen kombinierten Beauty- und Getränke-Salon. Der eine Bruder brummt "Hugh", der andere kreischt "Huch". 
Doch auch für Winnetouch kommt einmal der Moment der Wahrheit, wo er von Gurkenmaske und Nagelfeile lassen und Abahachi retten muss. Und hüftkreisend tänzelt er seinem Bruder zur Hilfe. Ein weiteres Teilstück der Karte befindet sich als Tattoo auf dem Rücken der Barfrau Uschi (Marie Bäumer in Mieder füllender Appetitlichkeit), und bis alle Teile beieinander sind, ist die Story schon so arg strapaziert wie die Gags, für die sie den Vorwand liefert. 
Aber darauf kommt es auch nicht an. "Der Schuh des Manitu" versteht sich als durchgeknallte Hommage aufs Indianer-Genre, zitiert unbekümmert aus Italo-Western von Sergio Leone und Abenteuer-Schinken à la "Indiana Jones" und feiert ansonsten die deutschen "Winnetou"-Filme. Schließlich ist Pierre Brice, deren Titelheld, für Herbig "immer noch die Mutter aller Blutsbrüder". 
Denn im Grunde empfindet sich der Komödiant als "Nostalgiker", der sich zurücksehnt zu den Zeiten, in denen die Kinder mit Mama und Papa frisch gebadet und "im Frotteebademantel vor dem Fernsehgerät saßen" und "Einer wird gewinnen" sahen. 
Am Ende von "Der Schuh des Manitu" gewinnt denn auch nur eines: das Gute. Der Schatz wird gehoben, das Schoschonen-Volk besänftigt, und Santa Maria versinkt glucksend im Schlamm. 
Und Michael Herbig, den sie "Bully" nennen, weil er als Zwölfjähriger ein T-Shirt trug mit der Aufschrift "Die Bullen kommen" - vom damaligen FC-Bayern-Sponsor Magirus-Deutz -, freut sich, dass es ihm in "aller kindlichen Naivität" gelungen ist, den "Nerv der Zeit zu treffen". 
Bei manchen Zeitgenossen sind es allerdings nur die Nerven. 
JOACHIM KRONSBEIN

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